phoenix persönlich: Politikwissenschaftler Herfried Münkler zu Gast bei Eva Lindenau | April 2024
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Published 2024-04-24
#Europa müsse zu einem "politischen Akteur" werden, sagt Münkler. Er schlägt vor, dass eine kleinere Gruppe europäischer Staaten - etwa Frankreich, Deutschland, Polen, Spanien und Italien- zum "Aufbau nuklearer Fähigkeiten" und zur "Herstellung von Glaubwürdigkeit in der Abschreckung" ein "gemeinsames Oberkommando" in der Sicherheitspolitik übernimmt. "Die müssten sich darauf verständigen, ihre Fähigkeiten zu Poolen zusammen zu legen und rotierend einen gemeinsamen Oberkommandierenden, der also über den roten Knopf verfügen würde, zu installieren. Wenn so etwas erfolgen würde, dann hätte das einen ungeheuren politischen Sog."
Dass die Europäer ihre Waffen- und Munitionsproduktion tendenziell erst Anfang 24 hochgefahren hätten, und nicht bereits im Spätsommer 22, als im Prinzip klar war, dass der Krieg in der Ukraine zu einem "Materialkrieg" werden würde, zeige die "notorische Schlafmützigkeit der europäischen und auch der deutschen Politik", kritisiert Münkler. Und mit Blick auf Bundeskanzler Olaf Scholz stellt er fest, wenn dieser wisse, dass der Krieg noch Jahre dauern könne, dann sei es erstaunlich, "in welcher Weise die deutsche Politik nicht darauf reagiert hat."
Münkler warnt davor, "den Krieg auf den gegenwärtigen Frontlinien einzufrieren". Das hätte weitreichende Folgen: Einmal sei dann klar, "man kann in Europa mit Waffengewalt Grenzen verschieben. Putin hats gezeigt." Zweitens könne man dann "die UN-Charta, Verbot des Angriffskrieges, vergessen". Und drittens würden sich laut Münkler "zwischen fünf und zehn Millionen Ukrainer auf den Weg machen, in der Ukraine, in den Westen, vor allen Dingen nach Deutschland."
Kritisch schaut der Politikwissenschaftler auch auf den Konflikt in Nahost. Auf die Frage von Moderatorin Eva Lindenau, ob sich der Iran durch Russlands Angriffskrieg auf die Ukraine ermutigt fühlen könnte, die Vorherrschaft im arabischen Raum auszubauen, antwortet Münkler: "Dafür spricht vieles." Er führt aus: "Die destruktive Politik Teherans ist durchaus im längerfristigen strategischen Interesse Russlands, das ja auch eine strukturell destruktive Politik betreibt."